Rezension "Der Report der Magd" von Magaret Atwood




Desfred ist eine Magd im totalitären und streng religiösen Staat Gilead, der sich auf dem Gebiet der USA befindet. Auf der gesamten Welt kriselt es und wird sich bekriegt. Außerdem ist es für viele Frauen, aufgrund nuklearer Katastrophen und starker Umweltverschmutzungen, schwierig gesunde Kinder oder überhaupt Kinder zu bekommen.
In Gilead ist den Frauen jegliche Form von Selbstbestimmung oder Bildung genommen worden. Sie haben nahezu keine Rechte und müssen bestimmte Kleidung tragen, die ihre Funktion für Staat und religiöse Gesellschaft zeigt. So gibt es unter anderem Unfrauen, Ökonofrauen, Kommandantenfrauen, Tanten, Mägde und Marthas. 
Desfred wird als Magd einem Kommandanten zugeteilt, dessen Frau keine eigenen Kinder bekommen kann. Ihre Aufgabe besteht darin sich von diesem Kommandanten schwängern zu lassen und dann das Kind (so zusagen als Leihmutter) auszutragen. Weitere Aufgaben hat sie, außer regelmäßig für die Familie, der sie zugeteilt wurde, einkaufen zu gehen, eigentlich nicht.

Das Buch ist aus Desfreds Sicht geschrieben, indem sie dem Leser ihre Geschichte und Eindrücke von Gilead aus ihrer Perspektive erzählt. Man erfährt wie die Strukturen in diesem Staat sind und wie der Alltag dort geregelt ist. Alles natürlich nur soweit wie Desfred es erlebt und sich dort auskennt.
Dass das Buch in dieser Form geschrieben ist, gefällt mir sehr gut, denn so konnte ich mich allmählich in Gilead zurechtfinden. 
Im Verlauf der Geschichte erfährt man nicht nur wie das Leben und besonders Desfreds Leben in Gilead verläuft, sondern man erfährt auch mehr über ihre Vergangenheit, bevor sie als Frau in Gilead unterworfen wurde. Hierbei werden zum Teil wirklich furchtbare Erlebnisse und Alltäglichkeiten sehr distanziert von Desfred erzählt. Sie erzählt aber auch, dass sie einen Mann und eine Tochter hatte, und dass sie aus Gilead fliehen wollten. Allerdings ist ihre Flucht nicht gelungen und sie weiß von beiden nicht ob sie noch leben oder was aus ihnen geworden ist. Sie erinnert sich an ihr früheres Leben, vor Gilead, als sie eine selbstbewusste und selbstbestimmte Frau war. 
Durch diesen Einblick in die beiden Welten in denen Desfred - ihren wahren Namen erfährt man nicht - lebt und gelebt hat, und dadurch, dass sie für ihr vergangenes Leben die echten Namen der jeweiligen Personen sowie eine gefühlvollere Erzählweise benutzt, jedoch für ihr jetzige Leben die vom Staat vergebenen Namen verwendet und eine eher distanzierte gefühlfreie Erzählweise wählt, wird dem Leser der große Kontrast zwischen dem Leben wie wir es heute kennen und dem Leben in einem totalitären und fanatisch religiösen Staat vor Augen geführt. Ich fand es sehr bedrückend damit konfrontiert zu werden, besonders dadurch dass ich mich mit dem Leben Desfreds vor der Entstehung Gileads identifizieren konnte.

Als ich das Buch zu lesen begonnen habe, hatte ich erst einmal ein paar Schwierigkeiten mich mit dem Schreibstil anzufreunden. Obwohl ich aus jetziger Sicht nicht sicher bin, ob es ausschließlich am Schreibstil lag oder auch an meiner Einstellung zum Buch. Ich war mir nicht sicher ob dieses Buch meinen Lesegeschmack treffen wird. Ich habe die Werke von Margaret Atwood nicht als Unterhaltungsliteratur angesehen, da sie für dieses Buch den Governor General´s Award for Fiction bekommen hat, oder eben auch den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhalten hat. Ich hatte also im Vorhinein großen Respekt vor diesem Buch.
Allerdings haben sich diese Bedenken schnell aufgelöst. Einmal ins Buch hineingefunden, konnte ich es nicht mehr aus der Hand legen. Es ist auf eine eigene Weise spannend und absolut fesselnd.
Auch wenn ich jetzt nicht sagen könnte, das mir Desfred als Hauptperson wahnsinnig sympathisch war. Es blieb irgendwie eine Distanz zu ihr bestehen, wahrscheinlich weil ich mich mit einem Leben in Gilead und ihr als Desfred nicht identifizieren konnte. Allerdings habe ich sehr mit ihr mitgefühlt und mitgefiebert.
Dieses Bild eines Lebens in einem Staat wie Gilead hat mich sehr erschüttert und berührt.
Desfred unterwirft sich diesem Staat allerdings nicht bedingungslos. Sie behält sich weiter das Recht auf eigene Gedanken und ihre eigene Meinung vor, auch wenn sie nicht riskiert sie öffentlich preis zu geben, und sie hält sich keineswegs an alle ihr auferlegten Regeln. Diese Rebellion brauchte ich ehrlich gesagt um die Geschichte aushalten zu können, denn so besteht Hoffnung auf einen Sturz Gileads und eine Rückkehr zu einem Leben wie wir es heute kennen.
Dieses Werk ist eine Dystopie, und typisch für eine Dystopie wird der Leser in eine neue fremde Welt versetzt. Während der Geschichte wurde nur angerissen wie es zu diesen neuen Gesellschaftsstrukturen gekommen ist. Wieviel Zeit vergangen ist bis dieser neue Staat entstanden ist, bleibt allerdings unklar. Ich fand es für die Glaubwürdigkeit, die Handlung und die Aussage des Buches allerdings auch nicht erforderlich.

Das Cover des Buches - bei mir ist es die Taschenbuchausgabe des Piperverlages - gefällt mir sehr gut. Es zeigt eine Magd, ohne ihr Gesicht zu zeigen, was für mich die Stellung der Magd bzw. der Frau in Gilead verdeutlicht, denn nur die Frau an sich ist für das Fortbestehen Gileads erforderlich. Persönlichkeit ist nicht gewünscht. Das Cover passt also hervorragend zum Buch.

Das Buch hat Margaret Atwood bereits 1985 geschrieben und veröffentlicht und das Thema ist heute noch genauso zeitgemäß, wenn nicht sogar noch aktueller. Schaut man sich auf der Welt um, sieht man in verschiedenen Richtungen Gruppierungen, die die Errichtung totalitärer und/oder religiös dogmatischer Gesellschaften verfolgen. Insofern finde ich es um so beängstigender was Margaret Atwood beschreibt, aber auch um so wichtiger sich damit auseinanderzusetzen. Dem Leser wird vor Augen geführt, dass Vieles, was ein Großteil der Menschheit heute als selbstverständlich erachtet, wie zum Beispiel Freiheit - Selbstbestimmung - Bildung, nicht überall und jederzeit selbstverständlich ist. 

Der Report der Magd ist eine bedrückende, nachdenklich machende und auch berührende Geschichte, der man sich nicht entziehen kann, und die Dank des recht offenen Endes viel Platz für eigene Gedanken lässt.
Mir hat es sehr gut gefallen und ich würde es auch jederzeit weiterempfehlen. Deswegen bekommt es von mir 5 von 5 Sternen.

Kommentare

Beliebte Posts